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UPTEMPO im Gespräch – Laura Pfister im Interview

Laura Pfiste

UPTEMPO e. V., die Initiative zur Förderung hochbegabter Musical-Nachwuchskünstler/-innen, stellt Euch Laura Pfister, Teilnehmerin der Musical Academy 2017, im Interview vor.

Wie hast Du die Zeit während der UPTEMPO Musical Academy in Düsseldorf erlebt?
Die Zeit war auf jeden Fall super intensiv, also ich erinnere mich, dass wir sehr gut beschäftigt waren. Ich fand vor allem die Leute, mit denen wir arbeiten durften, Stefan Huber, Christian Stadlhofer, Michael Staringer, Lior Kretzer, großartig. Jeder hatte einen ganz eigenen Hintergrund und konnte uns Teilnehmern dadurch ganz unterschiedliche Dinge mitgeben. Man hat in dieser kurzen Zeit wirklich nochmal viel gelernt. Außerdem war natürlich auch das Abschlusskonzert mit den erfahrenen Darstellern super spannend. Darunter waren auch einige Leute, die ich schon oft auf der Bühne gesehen habe, und dann mit denjenigen zusammen ein Konzert zu machen und zu sehen, OK, das sind letztendlich auch nur Menschen, war schon toll. Ich mochte die Zeit wirklich wahnsinnig gerne.

Was waren für Dich die größten Herausforderungen in Deiner ersten Berufszeit?

Jeder Job bringt natürlich unterschiedliche Herausforderungen mit sich. Ein Long-Run-Stück für ein Jahr acht Mal die Woche zu spielen hat ganz andere Dinge von mir gefordert, als innerhalb von sechs Wochen eine Uraufführung auf die Beine stellen. Beides waren große Herausforderungen, aber die waren natürlich ganz unterschiedlicher Art.

Was mich allerdings durchgehend herausfordert – ich glaube, da geht es vielen meiner Kollegen, die gerade erst anfangen, ähnlich – ist, dass ich ständig aufpassen muss, mein Selbstwertgefühl nicht abhängig von meinem beruflichen Erfolg zu machen. Man sollte sowieso Erfolg für sich selbst definieren und nicht das Gefühl haben man ist schlechter oder weniger wert als andere, bei denen es vermeidlich besser läuft, nur weil man vielleicht gerade keinen Job hat oder einen, der von anderen nicht so hoch angesehen wird. Auch wenn man gerade ein berufliches Tief hat, ist es wichtig seine positiven Gefühle auch noch aus anderen Quellen zu ziehen und nicht sein ganzes persönliches Glück auf den Job und die Karriere zu projizieren. Das ist auf jeden Fall etwas, das ich bei vielen meiner Kollegen beobachte, vor allem aber auch bei mir selbst. Ist ja auch irgendwie verständlich, wir lieben, das was wir tun so sehr und wollen natürlich auch arbeiten und erfolgreich und glücklich in unserem Job sein. Aber es gibt im Leben so viel mehr als nur den Beruf und das vergisst man leider viel zu oft. Dieser Tendenz gegenzusteuern ist meine größte Herausforderung.

Was würdest Du jemandem mitgeben, der sich für das Musicalstudium interessiert?

Das würde ich zweigleisig betrachten. Das Studium an sich würde ich jedem empfehlen. Ganz davon abgesehen, dass es natürlich gar nicht so leicht ist an einer Uni angenommen zu werden, man muss sich ja gegenüber einer großen Bewerberanzahl behaupten, aber hat man diese Hürde gemeistert, ist dieses Studium etwas ganz Besonderes. Man hat drei Jahre Zeit sich nur mit sich selbst zu beschäftigen. Man lernt so viel über sich und andere, ist umgeben von vielen inspirierenden Menschen, tollen Dozenten, Leute, die gleich denken wie man selbst, man darf an spannenden Projekten arbeiten und so weiter.

Aber wenn man mich fragt, was ich jemandem raten würde, der wirklich Musicaldarsteller werden möchte, würde ich auf jeden Fall sagen, dass man unbedingt die schönen Seiten des Berufs so sehr lieben muss, dass man freiwillig auch die schlechten erträgt. Denn egal wie viel man schimpft oder wenn man mal wieder nicht weiß, wie die nächsten Monate aussehen werden, muss man sich daran erinnern: OK, es wird auch wieder ein Sommer kommen und ich deshalb ertrage jetzt diesen Winter. Man geht durch wahnsinnig viele Ups and Downs und man muss irgendwie seinen Frieden damit schließen und wissen, dass das einfach dazu gehört. Zu mir hat mal jemand gesagt, wenn Du etwas anderes genauso sehr liebst, wie auf der Bühne zu stehen, dann mach das andere!

Und das würde ich genauso unterschreiben. Aber wenn man furchtlos auch die Schattenseiten akzeptiert und sich bewusst dafür entscheidet, dann ist es der schönste Beruf der Welt.

Du gehst ab September 2019 für ein einjähriges Masterstudium nach London, an die Guildford School of Acting. Was waren Deine Beweggründe für diesen Schritt?

Das ist tatsächlich entstanden, als ich Kinky Boots in Hamburg, das Long-Run Stück, gespielt habe. Es war eine sehr internationale Cast und ich war ständig umgeben von wahnsinnig talentierten, hart arbeitenden Leuten von überall aus der Welt. Ich habe gemerkt, dass dieser Long-Run-Prozess wirklich noch einmal etwas ganz Eigenes ist. Ich bin irgendwann schlicht und ergreifend mit meinen Fähigkeiten an Grenzen gestoßen und habe gemerkt, die anderen stecken das irgendwie leichter weg. Der Gedanke, einen Master zu machen, war eigentlich immer da. Ich habe ja in München studiert, wo man auch den Master machen kann. Ich habe damals gesagt, ich würde mir gerne die Möglichkeit offen lassen, nach ein paar Jahren Berufserfahrung für den Master zurückzukommen, um dann genau zu wissen, woran ich noch arbeiten möchte. Ich war damals nicht sicher, ob das überhaupt passieren wird, weil der Schritt, nach ein paar Jahren im Beruf noch einmal zur Schule zu gehen, natürlich schon groß ist. Jetzt ist es aber doch eingetreten, dass mir sozusagen das Schicksal einen Wink gegeben hat, OK, Du stößt gerade an Grenzen, Du bist Dir dessen bewusst und Du willst es nicht hinnehmen. Ich habe einen großen Anspruch an die Leute um mich herum und deshalb auch an mich selbst. Ich möchte einfach besser werden und daher habe ich mich für ein Masterstudium im Ausland entschieden.

Was erwartest Du von Deinem Masterstudium?

Ich möchte einfach weiter an meinen Fähigkeiten arbeiten, meine Grenzen ausweiten, mein Selbstbewusstsein stärken, eine bessere Darstellerin werden. Tatsächlich ist mir auch der Auslandsaspekt sehr wichtig. Ich möchte gerne nochmal in einem Land studieren, in dem das Genre Musical einen ganz anderen Stellenwert hat, als hier in Deutschland. Ich glaube auch, dass sich die Unterrichtsweisen und der Studienaufbau deutlich zu den deutschen Unis unterscheiden und das würde ich sehr gerne untersuchen und kennen lernen.

Wo siehst Du Dich in fünf Jahren (oder in zehn Jahren)?

Ja, also, in fünf Jahren würde ich schon noch gerne arbeiten (lacht), hoffentlich auch in zehn Jahren. Fünf Jahre sind ja relativ schnell da. Viele fragen mich, ob ich nach dem Masterstudium in England bleiben möchte. Ich schließe das nicht aus, aber ich bin mir bewusst, dass wir in Deutschland privilegiert sind, was das Künstlerdasein angeht. Also wir haben hier schon mehr Möglichkeiten, haben einen besseren Background, was Sozialversicherung und alles angeht, solche Dinge. Man hat es hier als Künstler auf jeden Fall leichter als in England oder Amerika. Man wird vom System leichter aufgefangen, auch wenn es gerade mal nicht so läuft, ganz davon abgesehen, dass in England auch nochmal ein ganz anderer Konkurrenzdruck herrscht. Deswegen bin ich da auch ganz realistisch. Klar, wenn es sich ergibt, würde ich auch einen Job in England machen. Aber die Chancen sind relativ gering. Deshalb sehe ich mich in fünf Jahren nach wie vor in Deutschland als Musicaldarstellerin.

Aber in zehn Jahren… Also, mein Wunsch wäre, vielleicht schon immer noch auf der Bühne zu stehen, aber ich schließe auch etwas anders nicht aus. Man weiß ja nie, ich würde trotzdem gerne irgendwann auch mal hinter die Bühne. Mir liegt einfach das Genre Musical sehr am Herzen und ich würde total gerne dazu beitragen, dass die Szene in Deutschland wächst, dass interessante Stücke auf den Markt gebracht, mehr eigene Stücke entwickelt werden, eine richtige „Off-Szene“ entsteht etc. Ich sehe mich dort weniger als Regisseurin, Choreografin, sondern eher in einem organisatorischen Sektor.

So eine Art Botschafterin?

Ja, wer weiß, ich muss da selber noch suchen, welche Möglichkeiten es gibt. Aber ich hoffe, dass sich das in diesen zehn Jahren dahin entwickelt, dass der Übergang von auf der Bühne zu irgendwas anderem „smooth“ verläuft.

Welche drei Eigenschaften machen erfolgreiche Musicaldarstellerinnen aus?

Essenziell für eine/n Musicaldarsteller/in ist für mich Professionalität. Das beinhaltet Pünktlichkeit, respektvolles Umgehen mit allen Menschen um Dich herum, vorbereitet sein etc. Das ist ganz einfach unerlässlich!

Außerdem finde ich, dass man eine starke, künstlerische Persönlichkeit mitbringen muss. Viele sehen Musical ja als etwas sehr Oberflächliches, Unbedeutsames an. Aber wenn wir als Darsteller genauso denken und nichts dagegen tun, ist es schwierig. Ich finde, man muss unbedingt eigenständig, künstlerisch, dramaturgisch, theatralisch denken können und selber eine Sichtweise, eine Meinung haben, Dinge hinterfragen, sich selber einbringen und nicht nur darauf warten gesagt zu bekommen, mit welchem Gesicht man auftreten und abgehen muss. Es ist wichtig ein aktiver Teil des Prozesses zu sein und etwas zu sagen zu haben.

Und zuletzt finde ich es wichtig, ganz kitschig gesagt, das Bedürfnis oder die Gabe zu haben, Liebe zu geben. Wenn ich auf der Bühne jemanden sehe, der nur für sich spielt, aber nicht für das Publikum, dann interessiert mich das nicht. Ein richtig guter Darsteller liebt das Publikum, denn sonst könnten wir alle auch alleine daheim eine Show spielen, aber wozu? Wir Darsteller sind nichts ohne das Publikum. Wir geben und gleichzeitig bekommen wir. Dieser energetische Austausch ist magisch und das bewusste Wertschätzen dieser Verbindung macht für mich einen guten Darsteller aus.

Wenn Du einen Wunsch in Bezug auf Deine Karriere frei hättest, welcher wäre das?

Das Beste, was einem meiner Meinung nach passieren kann, ist, dass man irgendwann in die Position kommt sich auszusuchen, welche Projekte man mit welchen Leuten mache möchte. Mir geht es oft gar nicht um die Häuser, um die Rollen, um die Stücke, sondern vor allem mit welchen Leuten ich zusammenarbeite, denn es geht schließlich Lebenszeit, die man zusammen verbringt. Was bringt mir, die tollste Rolle, wenn das Team und ich nicht auf derselben Wellenlänge sind, künstlerisch, sowie privat? Das ist letztendlich für niemanden eine schöne Situation und abgesehen von einem guten Endergebnis, will man ja auch eine gute Zeit zusammen haben. Deswegen wäre mein Wunsch, irgendwann selbst entscheiden zu können, was mit meiner Karriere passiert und mit wem ich arbeite. Sei es auch, von mir aus zu sagen, OK, jetzt höre ich auf. Ich würde gerne selbst beschließen, wie mein Leben aussehen soll, und nicht, weil mich bestimmte Umstände zu etwas zwingen. Das wäre mein größter Wunsch: Unabhängigkeit!

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Laura Pfister – Credits: Lenja Schultze

Im Rahmen ihres Studiums an der Theaterakademie August Everding spielte die gebürtige Nürnbergerin Laura Pfister im Ensemble von Big Fish im Prinzregententheater und diverse Rollen in I love you, you’re perfect, now change im Silbersaal des Deutschen Theaters München. Danach war sie unter anderem als Swing, Zweitbesetzung Lauren und Nicola in Kinky Boots im Stage Operettenhaus und als Tangolita in der Operette Ball im Savoy am Theater an der Rott zu sehen. Sie ist außerdem Preisträgerin des 3. Förderpreises in der Juniorkategorie des Bundeswettbewerbs Gesang Berlin und trat im Rahmen des UPTEMPO Förderprogrammes für Nachwuchskünstler im Capitol Theater Düsseldorf auf. Im Moment spielt sie Dortchen Wild im Musical Jacob und Wilhelm – Weltenwandler bei den Brüder Grimm Festspielen in Hanau.

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Das Interview führte Andrea Beumer, Mitbegründerin von UPTEMPO e. V.

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Fotocredits: Lenja Schultze